Tinnitus
 

Dr. Esther Huser, Fachpsychologin für Psychotherapie

Psychologische Beratung und Psychotherapie in Zürich

Tinnitus

Was ist ein Tinnitus?

Der Begriff Tinnitus bezeichnet eine Hörwahr­neh­mung ohne ein objektiv vorhandenes Geräusch. Andere Menschen können das Geräusch also nicht hören. Das ist belastend für den Betrof­fe­nen, da er sein Leiden nicht beweisen, nicht vorweisen oder mit jemandem teilen kann.

Wie tönt ein Tinnitus?

Es gibt keine einheitlichen Geräusche. Jede Person leidet unter einem individuell anderen Geräusch, das sich in Lautheit, Qualität (Zischen, Hämmern etc.), Frequenzbereich, Seitigkeit (linkes/rechtes Ohr, Mitte des Kopfes) und im Zeitmuster (rhythmisch, gleichförmig etc.) unterscheidet.

Welche Menschen sind von Tinnitus betroffen?

Jeder Mensch kann einen Tinnitus bekommen. Die Wahrscheinlichkeit steigt mit dem Alter. Häufig findet man im Vorfeld eines Tinnitus ein Gehörtrauma (z.B. einmaliges sehr lautes Geräusch wie Feuerwerkskörper, Schuss etc.), ein länger dauerndes lautes Geräusch wie z.B. Discomusik, eine Überempfindlichkeit für Geräusche allgemein oder ein sogenannter Hörsturz (meist einseitige, plötzlich eintretende Hörbeeinträchtigung).

Welches sind die Ursachen für Tinnitus?

Es gibt nicht nur 'klassische' Tinnitus-Geräusche, sondern auch Geräusche, die der Körper erzeugt, und die von der Person wie ein Tinnitus wahrgenommen werden. Die genauen Ursachen von Tinnitus sind nicht bekannt. Als wahrscheinliche Ursachen gelten:

  • Veränderungen im äusseren Gehörgang oder im Mittelohr
  • Schädigung der inneren oder äusseren Haarzellen
  • Fehlerhafte Reizleitung an den Nerven­fasern
  • Chemische Veränderungen der Flüssig­keiten im Innenohr

Bei einem anhaltenden Geräusch sollten Sie in jedem Fall zuerst den Arzt aufsuchen, der allfällige körperliche Ursachen abklärt.

Die neurophysiologische Hypothese des Tinnitus

Bei einem Menschen ist eine fehlerhafte Ge­räusch­wahrnehmung entstanden. Das Hirn reagiert darauf mit veränderter Aktivität und interpretiert die Geräuschwahrnehmung als tatsächliches Geräusch. Hält dieser Prozess über längere Zeit an, verändert das Gehirn die Strukturen dauerhaft, was zu einer Aufrechterhaltung der Geräuschwahrnehmung führt. Wichtig dabei ist, dass bei dieser Geräuschverarbeitung nicht nur die Wahrnehmung, sondern auch das Gefühls­system beteiligt ist. Je negativer das Tinnitus-Geräusch bewertet wird, umso mehr Aufmerk­sam­keit schenkt man ihm, sei es aus Ärger oder mit der Zeit aus Verzweiflung. Wenn man sich aber über etwas ärgert, dann kann man sich nicht an diesen Umstand gewöhnen. Wir Menschen gewöhnen uns nur an Dinge, die nicht negativ bewertet sind. Negative Gefühle verhindern also quasi die Gewöhnung.

Welches sind mögliche psychische Folge-Symptome eines chronischen Tinnitus?

  • Hilflosigkeit und Kontrollverlust
  • Hoffnungslosigkeit
  • Depressivität
  • Beeinträchtigung der Gespräche mit anderen Menschen
  • Vermeidung sozialer Situationen
  • Vermeidung ruhiger Situationen
  • Erhöhte allgemeine Geräusch­empfind­lichkeit
  • Beeinträchtigung der Konzentration
  • Schlafstörungen
  • Gereiztheit

Von grosser Bedeutung bei einer Tinnitus-Erkrankung sind Gefühle des Kontrollverlustes, des Ausgeliefertseins und die Katastrophi­sie­rungen, z.B. "Oh nein, nicht schon wieder!", "ich werde nie mehr Ruhe haben!", "das macht mich kaputt!". Mit solchen negativen Bewertungen erhält der Tinnitus eine grosse Wichtigkeit und kann sich in seinem Menschen-Wirt so richtig ausbreiten.

Tinnitus-Teufelskreis

Geräuschwahrnehmung

Aufmerksamkeitslenkung auf den Tinnitus

Negative Bewertung: "Nicht schon wieder!"

Negative Gefühle: Ärger, Verzweiflung, Angst

Noch stärkere Konzentration auf das Geräusch

Gefühl von Kontrollverlust/ Hilflosigkeit/Verzweiflung

Stresserleben

Keine Ruhe finden

Erneute Geräuschwahrnehmung ...

Was kann man in einer Verhaltenstherapie lernen, das bei der Bewältigung eines Tinnitus hilft?

  • Veränderung der Einstellung zum Tinnitus (und damit negative Gefühle verringern).
  • Kontrollüberzeugungen: Lernen, ein Stück weit die Kontrolle wieder zurückzugewinnen.
  • Selbstaufmerksamkeit: Lernen, die Auf­merk­samkeit nicht dauernd auf den Tinni­tus zu richten.
  • Soziale Unterstützung: Lernen, wie andere Menschen Ihnen dabei helfen können, sich abzulenken.
  • Lernen, mit negativen Gefühlen umzugehen.
  • Veränderung von negativen und katastrophisierenden Gedanken.
  • Ein Erklärungsschema finden, um den Tinnitus besser akzeptieren zu können.
  • Depression und Resignation bekämpfen.
  • Lernen, Ruhe zu finden trotz Tinnitus.
  • Etwas gegen Stress unternehmen.

Welche verhaltenstherapeutische Methoden gibt es?

  • Entspannungsverfahren: Psychische An­span­nung geht mit einer Muskelanspan­nung einher, die eine Veränderung des Blutflusses bewirken und somit Tinnitus verstärken kann. Entspannung als Zustand erhöht die psychische Toleranz gegenüber Tinnitus.
  • Ablenkungstraining: Stärkung der Fähig­keit, die Aufmerksamkeit vom Tinnitus abzuziehen.
  • Kompensationstraining: Externe Geräu­sche hinzufügen, Gelassenheit einüben, etc.
  • Gedankliche Umbewertung: Vermeidung von Katastrophisierungen führt zu mehr Gelassenheit und Ruhe und damit zu weniger Anspannung und damit wiederum zu weniger Stress und Belastung.

Anhand dieser verhaltenstherapeutischen Massnahmen soll der Patient einen Zustand erreichen, in dem er sich des Tinnitus nicht mehr bewusst ist, obwohl er ihn unverändert hören könnte, wenn er sich darauf konzentrieren würde. Der Tinnitus verliert seine Bedeutung und führt nicht mehr in den beschriebenen Teufelskreis. Erstrangiges Ziel ist somit nicht die Eliminierung des Tinnitus, sondern der positive Umgang mit dem Geräusch. Dieses Ziel führt mit der Zeit bei vielen Betroffenen dazu, dass der Tinnitus tatsächlich nicht mehr vorhanden ist.

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