Hochbegabung / Hochsensibilität
 

Dr. Esther Huser, Fachpsychologin für Psychotherapie

Psychologische Beratung und Psychotherapie in Zürich

Hochbegabung / Hochsensibilität

Hochbegabung

Viele Menschen träumen davon, überdurchschnittlich intelligent zu sein: Wie sie damit andere Menschen beeindrucken würden und wie sie überall wegen ihrer Intelligenz bewundert würden. Nur wenige denken auch an die negativen Seiten der Hochintelligenz. Überdurchschnittlich intelligente Menschen fühlen sich oft einsam, weil sie ihre Gedankengänge nicht mit anderen Menschen teilen können. Tun sie es, wirken sie häufig als arrogant, besserwisserisch oder gelten als Streber. Hochbegabung ist nicht eine isolierte Eigenschaft, sondern ein Charaktermerkmal, das einen Menschen von früher Kindheit an formt.

In der Entwicklung eines hochintelligenten / hochbegabten Kindes zum Erwachsenen gibt es zwei unterschiedliche Wege:

(1) Die ausserordentliche Begabung wird erkannt: Das Kind wird gefördert, bekommt genug geistige 'Nahrung', bewegt sich mindestens einen Teil seiner Zeit im Kreise anderer Hochbegabten, mit denen es sich selber sein kann. Sein Wesen wird von früher Kindheit an auf den Umgang mit der Hochbegabung hin erzogen, die Menschen um das Kind herum gewöhnen sich daran, und so kann Hochbegabung zur Normalität werden.

(2) Die Hochbegabung wird in der Kindheit nicht erkannt: Das hochbegabte Kind hat früh das Gefühl, anders als die anderen zu sein. Er passt sich immer wieder mit aller Kraft dem Niveau der anderen Kinder an, was sehr viel Energie kostet. Seine Leistungen in der Schule oder in der Grup­pe schraubt es zurück, da es die schmerzhafte Erfahrung gemacht hat, andernfalls negativ aufzufallen, gehänselt oder ausgegrenzt zu werden. Dem hochbegabten Kind selbst ist natürlich nicht bewusst, weshalb es sich so sehr als 'Alien' unter den anderen Kindern fühlt. Das Selbstwertgefühl beginnt zu leiden, und so kann es gut sein, dass das Kind paradoxerweise in der Schule mittelmässige oder gar schlechte Leistungen erbringt und niemand auf den Gedanken kommt, das Kind könnte besonders intelligent sein. Die Gefahr ist gross, dass dieses Kind depressiv wird oder ungünstige Verhaltensweisen entwickelt, die wiederum in eine negative Spirale führen können.

Positive und negative Seiten der Hochbegabung

Hochbegabung bringt im Erwachsenenalter neben der Leichtigkeit des Lernens und Handelns auch viele Nachteile mit sich, mit denen der Hochbegabte häufig nicht umgehen kann. So kann es z.B. schwierig sein, einen Lebenspartner zu finden, da man sich in einer Beziehung sehr einsam fühlen kann, wenn der Partner der Gedankenwelt des Hochbegabten nicht zu folgen vermag. Möchte ein Hochbegabter sich nicht immer zurücknehmen müssen, muss er früher oder später auf seine Hochbegabung hinweisen. Mit solchen Selbstcharakterisierungen stösst der Betroffene häufig aber nicht auf Sympathie.

Im Volksmund werden Hochbegabte immer noch als 'Nerds', als 'Freaks' charakterisiert. Dies ist nicht ganz falsch, da Hochbegabte tatsächlich sehr viel Zeit mit sich und ihren intellektuellen oder schöpferischen Talenten zubringen können. Sogenannte Flow-Erlebnisse (über Stunden anhaltende Phasen von hoher positiver Konzentra­tion) sind für sie wichtige Glücksmomente. Der nicht seltene Preis, den sie dafür zahlen, sind erhöhte Schwierigkeiten im Umgang mit anderen Menschen.

Welches sind typische Symptome von Hochbegabung?

  • Häufiges Fragestellen, ausgeprägte Neugierde.
  • Hohes Detailwissen / sehr gutes Verständnis von Zusammenhängen.
  • Lernen durch Verknüpfung und nicht durch Auswendiglernen.
  • Schwierigkeiten, Dinge auswendig zu lernen (da zu langweilig).
  • Perfektionistische Ansprüche.
  • Hohe moralische Ansprüche oder starkes Gerechtigkeitsgefühl.
  • Langeweile bis hin zu Arbeitsverweigerung bei Routineaufgaben.
  • hohe Motivation und Lust, schwierige Zusammenhänge zu verstehen.
  • Auffälligkeiten in Kindergarten und Schule (z.B. unkonzentriert, da gelangweilt, aggressiv, da unverstanden etc.).
  • Bevorzugung selbstständiger Arbeit, hohe Ziele.
  • Schon das Kind fühlt sich unverstanden, als 'Alien'; unter den Andern.
  • Häufiges Gefühl von Einsamkeit.
  • Intellektuell sehr weit entwickelt, emotional aber auf alterstypischem Niveau.
  • kritisches Hinterfragen von Autoritäten.
  • Wahl deutlich älterer Freunde.
  • Schwierigkeiten, sich in Gruppen einzufügen oder unterzuordnen.

Hochsensibilität

Manchmal, aber nicht immer, kann Hochbega­bung gepaart sein mit Hochsensibilität. Dann kann das Leben für die Betroffenen noch viel anstrengender werden. Hochsensibilität bezeichnet eine überstarke Sinneswahrnehmung. Geräu­sche, Licht, Gefühle anderer Menschen und anderes werden früher und in viel stärkerer Ausprä­gung wahrgenommen. Hochsensible werden unfreiwillig täglich überflutet von Tausenden von Wahrnehmungsreizen, die sie nicht immer in ganzem Ausmass verarbeiten können. Der Kontakt mit anderen Menschen kann für einen Hochsen­siblen aus diesen Gründen anstrengend sein, für das Gegenüber hingegen ist der Kontakt mit Hochsensiblen in der Regel sehr angenehm; Hochsensible Menschen sind häufig beliebt, sie können aber auch schneller an Erschöpfung erkranken.

Symptome einer Hochsensibilität sind z.B.:

  • Überdurchschnittliche Fähigkeit, sich in andere Menschen einzufühlen.
  • Oft Zwang, sich in andere Menschen einfühlen zu müssen, auch wenn man es im Einzelfall gar nicht möchte.
  • Hohe Intuitionsfähigkeit.
  • Rasche Erfassung des psychischen Zustandes eines Gegenübers.
  • Rasche Wahrnehmung von Stimmungen in einem Raum oder in einer Gruppe.
  • Überdurchschnittlich intensives Erleben von zwischenmenschlichen Beziehungen.
  • Dauerndes 'Monitoring' der eigenen Stimmungen und Gefühle.
  • Gleichzeitige Wahrnehmung vieler Details einer Situation.
  • Vielseitige Interessen.
  • Hohe Begeisterungsfähigkeit für Menschen und Themen.
  • Eigene Stimmung stark durch andere Menschen beeinflussbar.
  • Häufige Reizüberflutung und damit Anfälligkeit auf Stress und Überforderung.
  • Grosses Schlafbedürfnis.
  • Stärkere Empfindlichkeit auf Licht oder Geräusche.
  • Stärkere Empfindlichkeit auf Gerüche, Berührungen oder Geschmack.
  • Reiches, vielschichtiges Innenleben.
  • Immer wieder starkes Bedürfnis, allein zu sein.
  • Hohe Schreckhaftigkeit, z.B. durch Geräusche und Berührungen.
  • Hohe Gewissenhaftigkeit.
  • Harmonie ist wichtig ...

Was kann eine psychologische Begleitung ausrichten?

Neben der Behandlung individueller Problemstel­lungen von Hochbegabten, kann eine therapeutische Begleitung anleiten, besser mit den eigenen Fähigkeiten zurecht zu kommen, und zu lernen, im Umgang mit anderen Menschen ein Gleich­gewicht zwischen erfüllten Beziehungen und ausreichender Abgrenzung zu schaffen.

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